«Die Krise war ein Katalysator»
In den letzten beiden Ausgaben von «BKSDinside» haben Marc Limat vom Museum BL und Susanne Wäfler-Müller von der Kantonsbibliothek Baselland über ihre Erfahrungen in der Corona-Zeit berichtet («Museum.BL von Corona durchgeschüttelt» und «Die Corona-Pandemie hat auch kreative Ideen freigesetzt»). In dieser Ausgabe erzählt uns der Leiter von Augusta Raurica, Daniel Suter, von den Herausforderungen der Römerstadt.
Herr Suter, wie hat sich die Pandemie auf die Römerstadt Augusta Raurica ausgewirkt, und wie sind Sie damit umgegangen?
Dani Suter: Zuerst einmal wurden alle Ausstellungen im Museumsgebäude geschlossen und alle Veranstaltungen abgesagt. Nur im Freilichtareal lief der Betrieb rege weiter, denn das Bedürfnis nach sinnvollen Outdoor-Aktivitäten in der Bevölkerung war gross. Hier stellten wir in kürzester Zeit ein abwechslungsreiches Frühlings-, Sommer- und Herbstprogramm auf die Beine. Insbesondere der Quiz-Rundgang, die Drop-In-Workshops oder der Orientierungslauf wurden intensiv genutzt. Auch der Tierpark wurde sehr geschätzt. Insgesamt hatten wir weniger Besucherinnen und Besucher, aufgrund der Einreisebeschränkungen fehlten uns zum Beispiel die Gäste aus dem Ausland. Hinzu kam dann noch die Absage zahlreicher Veranstaltungen. Ich bin froh, dass wir trotzdem vielen Schweizer Gästen eine kleine Auszeit und eine Ablenkung von der Krise bieten konnten. Von der Pandemie unbeeindruckt blieb die Bauwirtschaft. Wir waren mit mehreren archäologischen Notgrabungen und Monumentenrestaurierungen beschäftigt. Die Arbeiten konnten wir zeitgerecht und mit hoher Qualität abschliessen, wobei uns die Unwetter im Sommer weitaus mehr Sorgen bereiteten als die Pandemie. Ausserdem stand der Umzug ins Sammlungszentrum an - dies bei laufendem Betrieb und unter grossen Schutzauflagen.
Ich bin sehr stolz auf unser Team, das sich nicht aus der Ruhe bringen liess und die Herausforderungen mit viel Engagement anpackte. Neue Museumsangebote wurden rasch realisiert und die zahlreichen Anpassungen der Schutzkonzepte umgesetzt. Währenddessen wurden die Tagesaufgaben erledigt und Zukunftsprojekte weiter vorangetrieben. Das ist eine beeindruckende Leistung.
Inzwischen wurden alle Schutzmassnahmen aufgehoben. Sind die Besucherzahlen wieder auf das Niveau vor der Pandemie angestiegen?
DS: Eigentlich befinden wir uns immer noch mitten in der Pandemie… Seit der Aufhebung der Massnahmen im Frühling hatten wir im Team mehr positiv Getestete als in den vergangenen zwei Jahren. Aber zurück zur Frage: aktuell verzeichnen wir zwar viele Reservationen von Schulklassen aus der Schweiz, aus Deutschland und aus Frankreich. Das Niveau der Vorjahre haben wir aber noch nicht erreicht. Erfreut waren wir über die Resonanz der Live-Konzerte im Theater Augusta Raurica. Die Stimmung war ausgezeichnet und die Rückmeldungen seitens der Bands und des Publikums hervorragend. Am Römerfest Anfang August hatten wir einen grossen Gästeaufmarsch. Auch hier war die Stimmung sehr gut und wir konnten unseren Gästen ein besonderes Erlebnis bieten.
Was nehmen Sie aus dieser Zeit persönlich und für den Betrieb mit?
DS: Mich hat sehr beeindruckt, wie viel positive Energie in die Bewältigung der Corona-Krise floss. Wir waren es in den letzten Jahrzehnten nicht gewohnt, mit solchen gesellschaftlichen Krisen umzugehen. Trotzdem erlebte ich viel Engagement und Zuversicht, dass wir unsere Projekte und Vorhaben trotz der besonderen Situation bewältigen können.
Irritiert haben mich die gesellschaftlichen Verwerfungen aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen im Umgang mit der Pandemie. Auch bei uns im Team waren Spannungen zu spüren. Die richtigen Worte und den Respekt für die individuellen Positionen zu finden, war nicht einfach. Aber es ist aus meiner Sicht wichtig, solche Themen intern anzusprechen und einen wertschätzenden Umgang zu pflegen. Dies ist uns, denke ich, gut gelungen und unser Leistungsausweis bestätigt das.
Ihre Prognose: Wie geht es weiter?
DS: Schon immer versuchten Auguren die Zukunft zu deuten. Meine Antwort: Ich weiss es nicht. An der grundsätzlichen Ausgangslage und an unseren Aufgaben hat sich nicht viel geändert. Wir stehen im Dienste der Bevölkerung und arbeiten für den Schutz der Kulturdenkmäler und der Kulturgüter der Sammlung. Wir stellen aus, vermitteln und empfangen unsere Gäste. Es gilt weiterhin, die richtigen Angebote mit den richtigen Themen für Ausstellungen, Führungen, Workshops und Veranstaltungen zu finden.
Die Krise war aber sicherlich ein Katalysator für die digitale Entwicklung. Es hat sich klar gezeigt, dass Institutionen und Unternehmen mit einem kundenorientierten digitalen Angebot sehr erfolgreich waren. Bei uns sehe ich weiter Potenzial in der Digitalisierung der Prozesse, zum Beispiel im einfachen und intuitiven Booking. Deshalb sollen das Online-Ticketing und Online-Shopping weiter ausgebaut werden. Aber auch die digitale Aufarbeitung der Sammlung und Archive sind eine wichtige Grundlage für die künftige Arbeit. Die Weichen dafür hatten wir schon vor der Pandemie gestellt.
Im Bereich Gästeerlebnis sehe ich den Trend zu hybriden, integrativen Angeboten. Es geht nicht um die Frage nach analog oder digital. Ein Grossteil unserer Gäste switcht intuitiv zwischen den «Welten». Man spaziert durch das Monument, geniesst den originalen Schauplatz und konsumiert gleichzeitig Youtube oder Instagram. Vor Ort entscheidet der Gast über die Tiefe seines Informationsbedürfnisses. Somit wird verstärkt auf den Einzelnen eingegangen. Die neue Ausstellung Augusta Raurica AR-Experience zeigt dies exemplarisch. Im Zentrum unserer Vermittlung stehen aber weiterhin ansprechende und sinnhafte Inhalte. Gespannt verfolge ich den Trend der «Digital Detox». Augusta Raurica ist ein Natur- und Kulturerlebnisraum, in dem unsere Gäste bewusst Zeit ohne «digitale Störung» geniessen können. Die Frage ist: wird sich diese Entwicklung verstärken oder bleib das Thema eine Nische?
Was planen Sie als Nächstes?
DS: Im Herbst wird die neue Ausstellung «Ave Cäsar» im Antikenmuseum Basel eröffnet und wir freuen uns, als Partner des Antikenmuseums Teil davon zu sein. Ende Jahr steht der Abschluss der zweiten Bauetappe des Sammlungszentrums an. Der Umzug der zwei Millionen Sammlungsobjekte aus elf Standorten wird uns wohl das ganze nächste Jahr fordern. Für die künftige Entwicklung des Freilichtareals haben wir in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Künste Bern einen Projektwettbewerb für eine neue Signaletik und Informationsvermittlung lanciert. Davon erhoffe ich mir Inputs und Grundlagen für die künftige hybride Gestaltung des Freilichtareals und die Vermittlung unserer Monumente. Ausserdem entwickeln wir mit Blick auf das nächste Jahr zahlreiche neue Angebote für unsere Gäste. Ein Blick auf unser Programm lohnt sich also.
Dani Suter leitet seit 2011 die Hauptabteilung Römerstadt Augusta Raurica des Amts für Kultur.