«Die Corona-Pandemie hat auch kreative Ideen freigesetzt»
In der letzten Ausgabe von «BKSDinside» berichtete Marc Limat, wie das Museum.BL von Corona durchgeschüttelt wurde. Heute erzählt uns die Leiterin der Kantonsbibliothek Baselland, Susanne Wäfler-Müller, von den Herausforderungen in der Bibliothekswelt.
Frau Wäfler, was ging in Ihnen vor, als die Kantonsbibliothek im Frühjahr 2020 ihre Tore schliessen und alle Veranstaltungen absagen musste?
Susanne Wäfler-Müller: Ich konnte kaum glauben, was da passierte. Die Situation war surreal und bedrohlich. Nach einem kurzen Schockmoment war jedoch klar: wir machen das Beste daraus. So haben wir umgehend einen umfassenden Bestell- und Abholservice auf die Beine gestellt, der sofort rege und dankbar genutzt wurde. Bereits in den ersten 48 Stunden wurden 1'000 Medien bestellt, abgeholt oder via Velokurier bis vor die Tür geliefert.
Unser digitales Angebot konnte während der gesamten Pandemie uneingeschränkt genutzt werden. Die Nachfrage verdoppelte und verdreifachte sich, was uns veranlasste, das Angebot auszubauen. Damit sich auch Ungeübte bei uns digital informieren und unterhalten lassen konnten, drehten wir Videotutorials zur Anleitung. Auch den Geschichtenkoffer stellten wir online und boten Lesungen via Webmeeting an. Diese konnten das Live-Erlebnis zwar nicht ersetzen, boten aber immerhin eine coronakonforme Alternative.
Ein grosser Mehraufwand entstand uns im Zusammenhang mit der Medienausleihe. Als die Vorgaben das manuelle Desinfizieren der Medien verlangten, desinfizierte mein Team über 30’000 Bücher, CDs und DVDs von Hand – eine gewaltige Menge und eine riesige Leistung! Insgesamt war die spezielle, noch nie dagewesene Situation zwar ungewohnt und mit vielen Herausforderungen verbunden, setzte aber gleichzeitig viel Energie und kreative Ideen frei.
Apropos Herausforderungen: Wie sind Sie mit den ständig wechselnden Schutzmassnahmen umgegangen? Und wie haben die Besucherinnen und Besucher darauf reagiert?
SW: Es galt, sich immer wieder an die geltenden Bestimmungen anzupassen, Schutzkonzepte zu formulieren und Neuerungen zu kommunizieren – dem Publikum, den Mitarbeitenden und den Gemeindebibliotheken. Das verursachte insbesondere zu Beginn der Pandemie viel zusätzliche Arbeit und forderte uns auch organisatorisch stark. Die Befindlichkeiten des Publikums waren sehr unterschiedlich. Während die Einführung der Maskenpflicht gut akzeptiert wurde, sorgte die Zertifikatspflicht teilweise für rote Köpfe.
Was nehmen Sie persönlich auch dieser Zeit mit?
SW: Die Corona-Pandemie hat uns viel gelehrt. Vor allem der Kontakt zum Team und die Kommunikation untereinander waren herausfordernd. Homeoffice, Maskenpflicht und Schutzkonzept erschwerten oder verunmöglichten fast jeden informellen Austausch. Darunter litt das Betriebsklima. Rückblickend muss ich sagen, dass ich dem internen «in Kontakt bleiben» mehr Aufmerksamkeit hätte schenken müssen. Ich nehme aber auch mit, wie wichtig es ist, Angebote kontinuierlich zu überprüfen und diese fortlaufend an veränderte Bedürfnisse anzupassen. Und: gute Ideen werden in der Regel belohnt. Es lohnt sich, mutig zu sein und Neues zu wagen!
Inzwischen wurden alle Schutzmassnahmen aufgehoben. Sind die Besucherzahlen wieder auf das Niveau vor der Pandemie angestiegen?
SW: Das Publikum besucht uns wieder zahlreicher, aber noch nicht so wie vor Corona. Da sind neuer Effort, neue Angebote und neue Ideen gefragt. Erfolgreiche Formate wie beispielsweise das im 2021 aus der Not geborene Literatur Open Air Liestal führen wir weiter. Mit fast 300 Besuchenden war diese neue Outdoor-Veranstaltung auf Anhieb ein grosser Erfolg, weshalb wir es am Samstag, 3. September 2022, zum zweiten Mal auf dem lauschigen Zeughausplatz durchführen. Solche Outdoor-Anlässe besuchen auch jene Menschen, die noch immer Mühe haben, wenn in Innenräumen viele Menschen aufeinandertreffen. Diese Entwicklung ist für uns ein Grund, noch öfters «aus dem Häuschen» zu kommen. Deshalb dehnen wir die Sommerbibliothek im Gitterlibad in Liestal von sechs Wochen auf fast vier Monate aus und erzählen demnächst auch Geschichten auf Spielplätzen – beispielsweise in Lausen, Frenkendorf und Bubendorf.
Ihre Prognose: Wie geht es weiter?
SW: Auch wenn sich einige noch nicht ganz wie früher trauen: es besteht grosser Nachholbedarf an persönlicher Begegnung, kultureller Anregung und Dialog. Gestärkt durch die Krise blicke ich deshalb zuversichtlich nach vorne, auch wenn der Blick aus dem Fenster – Stichwort Grossbaustelle SBB am Bahnhof Liestal – wieder andere Herausforderungen mit sich bringt.
Was planen Sie als Nächstes?
SW: Ab Juni lancieren wir unser ausgebautes digitales Angebot neu. Es werden neue Medien zur Ausleihe bereitstehen, unter anderem die im Trend liegenden Escape-Boxen, bei denen die Spielenden versuchen, mithilfe richtig gelöster Rätsel Codes zu knacken und Schlösser zu öffnen. Die Boxen haben wir teilweise selbst erstellt. Viele davon wurden auch im Rahmen von Ferienpass-Aktionen von Kindern und Jugendlichen konzipiert. Daneben stellen wir auf eine neue Bibliothekssoftware um und bringen unser Know-how im Rahmen des Schwerpunktprogramms «Zukunft Volksschule» beim Thema Leseförderung ein. Es bleibt also spannend!
Susanne Wäfler-Müller
Susanne Wäfler-Müller wurde in Basel geboren und studierte Geschichte, Germanistik und Medienwissenschaften. Nach einer Zusatzqualifikation an der Unibibliothek Basel arbeitet sie seit 2008 in der Kantonsbibliothek Baselland und übernahm im Mai 2020 deren Leitung. Sie wohnt mit ihrer Familie in Bennwil und ist Mutter von zwei Kindern.