«Alle:s Lesen»: ein Projekt, das begeistert

Lesen Sie gerne? Wenn Sie jetzt denken «Ja, nur leider fehlt mir die Zeit dazu» oder «Nein, ist mir zu anstrengend», dann sprechen Sie den meisten Jugendlichen aus der Seele. Nebst Trompetenunterricht, Fussballtraining, TikTok und YouTube fehlt vielfach die Ruhe für ein Buch. Deshalb hat die Sekundarschule Sissach ihren Schülerinnen und Schülern wie auch den Lehrpersonen, Sekretariatsmitarbeitenden und den Hausmeistern während zwei Wochen täglich 15 Leseminuten geschenkt. Ein Bericht von Anna Schaub.

Als Bibliothekarin bin ich automatisch auch Buchmensch. Schliesslich ist es ein nicht unwesentlicher Teil meines Jobs, Jugendliche zum Lesen zu bringen. Auch für meine Kolleginnen aus der Arbeitsgruppe Leseförderung ist Lesen ein Geschenk, und zwar eines, das wir gerne weitergeben. Darum haben wir das Projekt «Alle:s lesen» lanciert. Das Konzept wurde vor über 20 Jahren in der Türkei erarbeitet und ist unter dem Namen «Silence, on lit!» vor allem in der Westschweiz bekannt.

Die Idee besticht durch ihre Einfachheit: Die ganze Schule macht zur gleichen Zeit eine Pause und greift zu einem Buch, einem Magazin oder einer Zeitung. Wichtig ist nicht, was man liest, sondern dass man liest – und zwar auf Papier. Laut der Internetseite www.silenceonlit.com hat sich nicht nur die Ausdrucksweise der Schülerinnen und Schüler verbessert, sondern auch ihr kritisches Denken sowie die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrpersonen. Zudem waren alle entspannter, weil die Lesepause nicht zuletzt auch eine Pause vom hektischen (Schul-)Alltag bedeutet.

Die Vorbereitung
Als wir im August 2022 die Schulleitung von unserem Projekt überzeugen wollten, machte uns diese deutlich, dass wir die Unterstützung des Kollegiums bräuchten und dass ein Start frühestens im Herbst 2023 möglich sei. Da wir aber sofort loslegen wollten, begannen wir zu lobbyieren und die Lehrpersonen für das Projekt zu begeistern. Mit Erfolg. Unser Vorhaben fand grosse Zustimmung, und so durften wir «Alle:s lesen» ein Jahr früher als ursprünglich vorgeschlagen durchführen. Auch ein Fragebogen für die spätere Auswertung wurde kreiert.

Das Projekt
Vom 28. November bis zum 9. Dezember 2022 hiess es dann tatsächlich «Alle:s lesen» ­– zumindest von 9.45 bis 10.00 Uhr. Eine leise Melodie hat jeweils die Lesezeit für alle eingeläutet, danach war es bis zur grossen Pause still. Schulleiter Matthias Schafroth sagt über das Projekt: «Ich bin begeistert, wie die Schülerinnen und Schüler mitgemacht haben. Sie hatten stets ihr Buch dabei und haben ruhig gelesen.» Auch die entspannte Atmosphäre sei ihm positiv aufgefallen. Und nicht nur ihm – viele Schülerinnen und Schülern haben gefragt, ob nicht 30 Minuten Lesezeit möglich wären.

Das Resultat
Im Anschluss an die Lesewochen wurden alle Beteiligten befragt. Aus dem Kollegium kam viel Lob und Dank für das Projekt. Geschätzt wurde vielfach «…die Ruhe und dass sich jeder in seine Lektüre vertiefen konnte». Auch hätten sich die Klassen gut darauf eingelassen: «Den meisten hat es auch wirklich gefallen. Sie haben mich sogar gefragt, ob wir es zu einem späteren Zeitpunkt wiederholen würden», erzählte eine Kollegin. Spannend waren auch die Meinungen der über 600 Schülerinnen und Schüler. Natürlich gab es solche, die einfach froh waren, 15 Minuten weniger Unterricht zu haben. Aber Rückmeldungen wie, «Toll, dass man neben dem Schulstress Zeit zum Lesen bekommen hat» oder «Ich finde es super, dass man z.B. im Sport eine Abwechslung hatte, auf den bequemen Matten liegen und lesen durfte» zeigen, dass dieses Projekt auch für die Schülerinnen und Schüler einen Mehrwert bot. 

Über 60 Prozent der Lernenden hat die Atmosphäre beim Lesen gefallen, 90 Prozent der Lehrpersonen würden das Projekt gern wiederholen. Auch Viktoria Kahl von der Fachstelle Schulbibliotheken empfiehlt dieses Projekt und hält es für unbedingt nachahmenswert: «Die positiven Rückmeldungen des Kollegiums und der Schülerinnen und Schüler zeigen, dass sich ein solches Projekt nachhaltig und fördernd auf Leseverhalten und Schulklima auswirkt.» Was soll ich sagen? Auf in die nächste Runde, damit wieder «Alle:s Lesen»!

Text: Anna Schaub, Leiterin des Lesezentrums an der Sekundarschule Sissach
Bild: Alle:s Lesen
Foto: Sekundarschule Sissach

 

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