3D-Scan eines römischen Kellers
In den letzten Jahren hat das Amt für Geoinformation des Kantons Basel-Landschaft in modernste Vermessungstechnik investiert. 2022 wurde ein Laserscanner der neuesten Generation angeschafft. Um mit den neuen Vermessungsgeräten und der für die Auswertung der Messungen benötigten Software vertraut zu werden, sind Versuchsobjekte nötig. Augusta Raurica bietet diese in Hülle und Fülle. So konnte im Herbst 2022 der für Besucherinnen und Besucher begehbare römische Keller in der Flur Steinler in einem kleinen Pilotprojekt dreidimensional vermessen werden. Die dadurch entstandene Punktwolke und die nebenbei aufgenommenen 360°-Panoramafotos bieten für die Archäologie jede Menge Anwendungsmöglichkeiten.
Der römische Keller in der Flur Steinler
Bei Sondierungen zur Erkundung der im Augster Oberdorf zwischen Theater und Autobahn gelegenen Zentralthermen wurde 1943 ein sehr gut erhaltener römischer Keller freigelegt, der zu einem frühen Wohnhaus gehört hatte. Das unterirdische Bauwerk war um 100 n. Chr. bei der Erweiterung der Zentralthermen nach Süden verfüllt und dann überbaut worden.
Der Keller besteht aus einem einzigen Raum von 3,3 m auf 3,4 m. Die Seitenwände, die im Westen und im Süden die für römische Keller typischen Abstellnischen aufweisen, sind noch in ihrer ganzen Höhe von 2,4 m erhalten. Ursprünglich bestand die Kellerdecke im Süden aus mächtigen Sandsteinplatten, die in den Keller hineinragten. Der Hauptteil des Kellers war wohl mit einer Holzdecke überdeckt. In der Nordwand des Kellers befindet sich ein Kellerfenster mit einem Lichtschacht. Der heute noch sichtbare Originalboden aus Ziegelmörtel liegt ca. 5 m unter der heutigen Erdoberfläche. Der Zugang zum Keller erfolgt(e) über einen kurzen Kellerhals im Nordosten.
Bereits im Anschluss an die Freilegung in den 1940er-Jahren wurde der römische Keller durch einen künstlichen Tunnel mit dem schon viel früher entdeckten römischen Abwasserkanal (Kloake) der Zentralthermen verbunden. Der Keller wurde bereits nach der Ausgrabung mit einer gewölbten Betondecke wieder verschlossen, da Eisen in der Kriegszeit rar war und man sich durch diese Bauweise eine bessere Belüftung versprach.
1989 wurde ein künstlicher Einstiegsschacht geschaffen, der die beiden eindrücklichen unterirdischen römischen Bauwerke für Besucherinnen und Besucher zugänglich macht.
Die Vermessungsprofis vom Amt für Geoinformation BL
Das Amt für Geoinformation (AGI) ist das kantonale Kompetenzzentrum für Vermessung. 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den beiden Teilbereichen Katasteraufsicht und GIS-Fachstelle tätig. Die GIS-Fachstelle hat die Leitung des kantonalen Geoinformationssystems inne und sorgt für dessen Weiterentwicklung. Neben dem Betrieb der kantonalen Geodateninfrastruktur berät sie Direktionen, Dienststellen, Gemeinden usw. und koordiniert GIS-Projekte mit dem Bund und den Nachbarkantonen. Die Katasteraufsicht kontrolliert die Ersterhebung, Erneuerung und Nachführung der amtlichen Vermessung und hat die Aufsicht über den kommunalen Leitungskataster sowie das Baulandumlegungsverfahren. Das Team der Katasteraufsicht unterstützt andere kantonale Stellen, wenn es um Vermessung mittels Tachymeter, GPS, Drohne oder Laserscanner geht. In den letzten Jahren konnten so nicht nur für Augusta Raurica vielfältige vermessungstechnische Arbeiten durchgeführt werden.
2022 wurde man auf der Suche nach einem attraktiven Testobjekt für den neuen Laserscanner erneut in Augusta Raurica fündig: Feldeinsatz des Scanners und Nacharbeit der so entstandenen Daten am Computer sollten anhand des römischen Kellers in der Augster Flur Steinler erprobt werden.
Die Vermessungsgeschichte des Kellers
Bei der Ausgrabung des Kellers 1943 wurde dieser – wie (damals) in der Feldarchäologie üblich – fotografisch, zeichnerisch (Auf- und Ansichten) und beschreibend dokumentiert. Höhenangaben wurden mit Nivelliergeräten punktuell erfasst.
2012/2013 wurden bei der Erfassung von Altgrabungen im digitalen Stadtplan, dem geografischen Informationssystem (GIS) von Augusta Raurica, Unstimmigkeiten bei der Lage der Kloake und des Kellers festgestellt. Infolgedessen wurden das gesamte unterirdische Bauwerk sowie dessen Einstiegsbereich mit einem Tachymeter gesamthaft neu punktuell vermessen.
Die Neuvermessung des Kellers
Da die Kloake nur in Teilbereichen Anfang des 20. Jahrhunderts von Karl Stehlin dokumentiert worden war, sollte der Kanal 2022 zusammen mit dem daran angeschlossenen Keller mit dem neuen Laserscanner des AGI komplett dreidimensional vermessen werden. In einem ersten kleineren Pilotprojekt wurden nun der Keller sowie dessen Zugang in 3D aufgenommen. Anhand der gewonnenen Daten sollen die optimalen Einstellungen für den noch bevorstehenden Gesamtscan erarbeitet werden.
Nach der Reinigung des Kellers durch das Team der Monumentenrestaurierung wurde an einem Tag im November 2022 mittels 26 Stationierungen von der Erdoberfläche über den Treppenabgang bis in den Keller hinab das gesamte Bauwerk gescannt.
Bei einem Vermessungsvorgang tastet der Scanner seine Umgebung mittels Laser ab. Das Gerät sendet rundherum Laserstrahlen aus und registriert deren Reflexionen vom zu messenden Objekt. Daraus errechnet die Scanner-Software alle Distanzen und Winkel zum zu vermessenden Bauwerk und bestimmt daraus Punkt für Punkt deren exakte Lage im dreidimensionalen Raum. So entsteht in kürzester Zeit eine gigantische Punktwolke aus unzähligen einzelnen Messwerten. Zeitgleich wird ein 360°-Panoramabild der Umgebung des Scanners aufgenommen, das für das fotorealistische Einfärben der Punktmessungen verwendet werden kann. Auf diese Weise kann der Scanner seine Umgebung bis auf einen Bereich unterhalb des Geräts komplett erfassen. Um Messwerte aus allen Ecken des Kellers zu haben, muss mehrmals von verschiedenen Positionen und Höhen gemessen werden. Je komplexer das zu vermessende Objekt ist, desto häufiger muss der Standort gewechselt werden. Diese Einzelmessungen werden noch vor Ort zusammengeführt. Auf dem Bildschirm des Tablets, mit dem der Scanner gesteuert wird, kann man nach einer Messung überprüfen, ob es noch Fehlstellen in der Gesamtpunktwolke gibt, und nötigenfalls nochmals von einem neuen Standort aus scannen. Die Gesamtpunktwolke wird im Raum richtig platziert (georeferenziert), indem man vorher mittels Tachymeter eingemessene Fixpunkte verwendet.
Bei der Vermessung des Kellers wurden 1'248'720'445 (1,2 Milliarden) einzelne Punktmessungen gespeichert (260 TB Daten). Pro Quadratzentimeter Kelleroberfläche wurden im Schnitt 10–15 Punkte gemessen. Diese Daten wurden im Büro über mehrere Stunden mit der Software Leica Cyclone Register und Cyclone 3DR verarbeitet.
Die Resultate
Aus den 3D-Laserscannerdaten können viele für die Archäologie nützliche Produkte entstehen. Mithilfe von CAD-Software können archäologische Befunde und Objekte am Bildschirm dreidimensional gezeichnet werden. Bei unserem Beispiel könnte man am Keller erkennbare Bauphasen oder Altrestaurierungen linear erfassen. Mit den so entstehenden 3D-Linien könnte man rückwirkend Pläne des römischen Kellers anfertigen.
Aus den Scanner-Daten können auch vermaschte und texturierte 3D-Modelle entstehen: Dabei werden die Einzelmesspunkte verbunden, sodass ein Netz entsteht. Dieses wird dann mit einer Textur überzogen, die die Originaloberfläche imitiert. Das Resultat ist ein Computermodell, das der Realität sehr nahekommt. Aus solch einem Modell kann anschliessend eine Rekonstruktion oder ein 3D-Druck entstehen. Das Modell des römischen Kellers kann am Bildschirm nach Belieben gedreht werden. Im virtuellen Keller ist das Messen von Distanzen, Winkeln, Flächengrössen usw. eine Kleinigkeit. Auch das Anfertigen von vertikalen oder horizontalen Schnitten gelingt im Handumdrehen.
Die oben beschriebene Technik kann nicht nur die archäologische Primärdokumentation bereichern. Mit ihrer Hilfe entstehen beispielsweise auch für die Restaurierung und Konservierung Grundlagendaten, die weiterverarbeitet werden können. Zudem kann der römische Befund anhand des virtuellen Modells auf einfache Art und Weise wissenschaftlich erforscht werden; dies auch mit Kolleginnen und Kollegen über grosse Distanzen hinweg. Nicht zuletzt haben die 3D-Modelle auch ein grosses Potenzial für die Wissensvermittlung an unser interessiertes Publikum.
Dass es zum Einsatz von Laserscannern für die archäologische Dokumentation auch kritische Stimmen gibt (z. B. Verlagerung der Arbeiten vom Feld ins Büro), langfristige Erfahrungen im Umgang mit den riesigen Datenmengen fehlen und auch manche Probleme noch nicht gelöst sind (z.B. Langzeitarchivierung), soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden.
Ausblick
Das Projekt ist ein gutes Beispiel für eine unkomplizierte direktionsübergreifende Kooperation. Es ist zu wünschen, dass in Zukunft alle noch nicht komplett vermessenen Monumente in Augusta Raurica ebenfalls mit dieser professionell angewandten, modernsten Vermessungstechnik und dem in Augusta Raurica vorhandenen archäologischen Know-how dokumentiert werden können.