Hauptstrasse 55 / 55a, Cheesmeyer
Im Zuge der Eröffnung der Eisenbahnlinie Liestal - Sissach im Jahre 1855 entstand im Gebiet des Bahnhofes ein neues Quartier, das von den Vorteilen des Reiseverkehrs und des aufblühenden Handels profitierte. Der Negoziant Johann Meyer erwarb an der Hauptstrasse drei Liegenschaften und beauftragte im Jahre 1901 das Basler Architekturbüro Ganser & Bernoulli mit dem Neubau eines mehrgeschossigen Warenhauses. Das neuartige und erste Warenhaus des Kantons sollte sowohl von der Bahnhofseite wie von der Hauptstrasse her zugänglich sein. Das Erdgeschoss und der erste Stock waren dem Verkauf, die beiden weiteren Stockwerke dem Wohnen vorbehalten.
Der viergeschossige Bau steht traufständig und leicht zurückversetzt an der Hauptstrasse. Der verputzte Bau zeigt eine regelmässige Gliederung in neun Fensterachsen, wobei das nachträglich aufgestockte vierte Geschoss als Fachwerkkonstruktion mit Dekorelementen die kleinstädtische Architektur reflektiert. Das Erdgeschoss wird optisch mittels eines durchlaufenden Kaffgesimses abgetrennt. Zwischen den markanten, unverputzten Strebepfeilern im Erdgeschoss sind die stichbogigen Schaufenster eingelassen. Den bossierten Strebepfeilern sind jeweils Schaufensterkästen vorgestellt, eine elegante Metall-Glas-Konstruktion mit geschwungenem Dach. Die Fenstergewände des 1. Obergeschosses weisen als architektonische Schmuckelemente doppelte Ohren auf und werden bekrönt von einem vorkragenden Gesimse. Der Bau von Ganser & Bernoulli ist stilistisch dem Jugendstil zuzuordnen und setzt als einer der ersten Bauten dieser Stilsprache in Sissach einen neuen Akzent an der Hauptstrasse.
Der Verkaufsraum im Erdgeschoss war ursprünglich lediglich durch vier Säulen mit genieteten Unterzügen unterteilt, um eine maximale Verkaufsfläche zu erreichen.
Der „Cheesmeyer" ist bis heute ohne grössere Eingriffe in Struktur, Erschliessung und Ausstattung in seinem originalen Bestand erhalten geblieben. Insbesondere ist die weitgehende Erhaltung der originalen Wand- und Bodenbeläge wie Parkettböden, Linoleumböden und gedruckte Tapeten sowie der originalen Lamperie und Ausstattungsgegenstände auf allen Geschossen hervorzuheben.
Als erstes Warenhaus im Kanton, als neugeschaffener Typ eines kleinstädtischen Warenhauses und als früher Jugendstil-Bau erfüllt der „Cheesmeyer" sowohl von seiner wirtschafts- und sozial-historischen Bedeutung, wie vorn typologischen und architekturhistorischen Stellenwert die Kriterien der kantonalen Schutzwürdigkeit.
Auf dem von der Hauptstrasse abgewandten Hinterhof befindet sich ein kunstvoller Gartenpavillon aus dem Jahre 1915, von Baumeister I. Schaffner errichtet. Solche Gartenpavillons waren als Bestandteil von herrschaftlichen Gartenanlagen verbreitet. Der aus Holz gefügte, oktogonale Pavillon ist in seiner Dekoration ein Kleinod der Handwerkskunst: Reich profilierte Leisten zieren die gestemmten Wandfelder; ein Schmuckfries aus gestanztem Blech schliesst das Häuschen gegen den Dachhimmel ab. Von besonderer Qualität sind die kunstvoll gefügten, originalen Fenster mit den in das Glas eingeritzten Blumenbouqets und Dekorationsmotiven des Jugendstils.
Dieser Gartenpavillon ist eines der wenigen, noch weitgehend original erhaltenen Beispiele in der Region, dem über seinen kunst- und architekturhistorischen Wert hinaus auch vom sozialgeschichtlichen Gesichtspunkt Bedeutung zukommt.
Als Zeugnis der Technikgeschichte ist der noch erhaltene Petroltank hinter dem Gartenpavillon ebenso in das Inventar der geschützten Kulturdenkmäler aufzunehmen.