Ermitagestrasse 44, "Schleife"

Das mit "Schleife" bezeichnete, heute als Wohnhaus genutzte Gebäude steht auf der Flur "Mühleboden" am Ufer des Gobenmattbaches, ca. zweihundert Meter nordwestlich der Gebäudegruppe der ehemaligen Mühle und des Gärtnerhauses. Die zur "Schleife" hinführende Ermitagestrasse führt den Besucher heute vom Bachrechen bis zum historischen Eingang des Landschaftsgartens Ermitage . Das durch keine weiteren Bauten unterteilte, teilweise landwirtschaftlich genutzte Gebiet "Mühleboden" zwischen Gobenmattbach und Ermitagestrasse bildet heute die Eingangspartie zum Landschaftsgarten. So gesehen gehört die "Schleife" mit ihrem gepflegten Garten zur Ermitage.

Die "Schleife" ist heute durch Sanierungen, An- und Umbauten stark verändert. Anhand eines Aquarells von Anton Winterlin aus dem Jahre 1843 kann der ursprüngliche Bau als einfaches, rechteckiges, zweigeschossiges Gebäude mit Satteldach, offenbar mit Ziegeln gedeckt, beschrieben werden. Dies deckt sich auch mit der Bauuntersuchung der Archäologie. Zum Haus führte ein hölzerner Wasserkanal (Dych) parallel zum Gobenmattbach. Dieser Kernbau, giebelständig zu Bach und Strasse, wurde zur Strassenseite hin um einen Wohnraum und gegen Osten um einen Kellerraum erweitert. An den Anbau schliesst zum Garten im Osten ein Holzschopf an, der durch die traufseitige Verlängerung des hinteren, aufgeschobenen Teiles des Hausdaches gedeckt ist.

Der älteste Hausteil war offenbar im Sockelgeschoss gemauert, das erste Obergeschoss und die Giebelfelder in Fachwerk ausgeführt. Bei dem verwendeten Bauholz handelt es sich ausschliesslich um Eiche, vielfach jedoch um wiederverwendetes Bauholz. Der Zugang ins Obergeschoss könnte über eine heute strassenseitige, externe Laube erfolgt sein. Die Eingangstür lag dabei vermutlich in der Nordwestecke, worauf Wandständer mit Falz und der Sturzriegel hinweisen. Bei der Datierung von 1798 auf dem Sturz handelt es sich möglicherweise ebenfalls um ein sekundär verwendetes Bauteil und nicht um das Baudatum.

Das Giebelfeld im Süden ist heute komplett entfernt und durch eine Fensterfront ersetzt. Die Fassaden des Hauses wurden bei jüngeren Sanierungen mit einem Zementputz verputzt. An der Giebelwand zur Strasse wird anhand der erhaltenen Steingewände des Giebelfensters deutlich, dass er eine Stärke von min. 5 cm aufweist. Der Eingang liegt an der Nordwestecke des Hauses. Das Sockelgeschoss ist durch eine durchgehende Holzschwelle abgesetzt.

Die Bauzeit der "Schleife" kann gemäss den Eintragungen im Brandlagerbuch auf das Jahr 1807 festgelegt werden. Es heisst dort, dass „ein Haus in Riegel mit Ziegeln gedeckt" neu gebaut wurde. Weiter wurde das Gebäude 1825 um ein „Angebäude in Mauern bestehend in einer gebrauchten Scheune mit Ziegeldach nebst Keller" erweitert. Eine Randbemerkung gibt als Grund für die Neuschätzung „wegen neu errichtetem Gebäude im Haus, bestehend in einer Tabakstampfe" an. Der Betrieb der Tabakstampfe, vermutlich zunächst im Scheunenanbau, dann integriert in den Anbau, wurde um 1841 eingestellt. Eine zweite Tabakstampfe war offenbar bei den oberen Waldhäusern in der Ermitage eingerichtet. Der Betrieb derselben wurde bereits 1839 eingestellt, da „das Gewerbe nicht sonderlich florierte […], weil auch eine Stockung in der Tabakfabrikation eingetreten sei."

Erbauer der "Schleife" ist Joseph Schaulin, der vermutlich aus einer Schleiferfamilie stammte. In einem Dokument vom 26. April 1822 wird erwähnt, dass in Joseph Schaulin Schleiffers Garten hinter seiner Behausung noch Reste der alten Mühle sichtbar seien, die im 17. Jahrhundert abbrannte. Noch heute geben Unebenheiten im Gelände östlich der "Schleife" den Standort dieser "alten Mühle" an.

Gemäss Quellenlage und Bauuntersuchungen kann kein eindeutiger Beweis erbracht werden, dass im Gebäude tatsächlich eine "Schleife" betrieben wurde. Nach der Stilllegung der Tabakstampfe im Jahre 1841 wurde das Haus 1846 an den damaligen Eigentümer der Ermitage, an J. S. Alitoh verkauft und in ein Wohnhaus umgewandelt. Ab diesem Zeitpunkt wird gemäss den Eintragungen in den Brandlagerbüchern das Gebäude nicht mehr gewerblich genutzt. Seltsamerweise erscheint jedoch im späten 19. Jahrhundert der Flurname "in der Schleife", der bis heute sich als Bezeichnung des Gebäudes erhalten hat.

Die quer zur Strasse gelegene "Schleife" bezeichnet gestalterisch den Eingang des Landschaftsgartens Ermitage. Der relativ kleine Bau mit gepflegtem Vorgarten und weitläufigem Nutzgarten bildet gleichsam den Auftakt zur eigentlichen Ermitage. Darüberhinaus gehört die "Schleife" zu den übrigen Gebäudegruppen im Talboden, in denen früher Büchsenschmiede, Gipsmühle und Öl- und Tabakstampfe untergebracht waren. Sie sind wertvolle, historische Zeugen einer vorindustriellen Tradition entlang des Gobenmattbaches.