1996-3
![]() |
Ombudsman; Jahresbericht 1996 |
![]() |
Zur Inhaltsübersicht
(Jahresbericht 1996)
|
||
![]() |
Anliegen Herr A legte mir dar, er sei nachts um ca. 23.00 Uhr auf dem Heimweg von seiner Joggingtour beim Überqueren der Strasse von einem auf ihn zukommenden Hund bedroht worden. Es war ihm gelungen, den Hund, der in Begleitung zweier Polizeibeamter war, mit lauter Stimme einzuschüchtern und von sich fernzuhalten. Es kam zu einem Wortgefecht, bei dem seinerseits auch einige Kraftausdrücke fielen. Die Polizeibeamten verlangten, dass er sich ausweise, was er zunächst verweigerte, indem er weiterjoggte. Er wurde verfolgt und zu Boden gedrückt und zog sich dabei eine blutende Fingerverletzung zu. Am nächsten Tag suchte er den Polizeiposten auf, um die Angelegenheit zu bereden. Das Gespräch konnte nicht stattfinden, da zuerst die Polizeibeamten abwesend waren und Herr A später einen anderen ihm vorgeschlagenen Termin nicht wahrnehmen konnte. Herr A erklärte, dass er mit der erfahrenen Behandlung nicht einverstanden sei und erkundigte sich, ob das Vorgehen der beiden Polizeibeamten korrekt sei. Er wollte auch wissen, ob der Hund angeleint hätte sein sollen. Im weiteren verlangte er Akteneinsicht. Abklärungen 1. Die beiden Polizeibeamten und der Postenchef wurden zu einer schriftlichen Stellungnahme eingeladen. Es fand ein Vermittlungsgespräch auf dem Polizeiposten statt, das zu keiner gütlichen Einigung führte. 2. Im folgenden ist deshalb ein Bericht zu erstellen und zuerst der Sachverhalt, reduziert auf die wesentlichen Punkte, aus meiner Sicht der Dinge darzulegen. a) An besagtem Datum liess Herr B (Hauptinspektor II) um ca. 23.00 Uhr seinen privaten Hund versäubern. Laut Postenchef war diese nichtdienstliche Tätigkeit während des Dienstes zulässig. Anwesend war auch Herr C (Inspektor III). b) Um ca. 23.00 Uhr wechselte Herr A joggend die Strassenseite. Der nicht angeleinte Hund näherte sich ihm bellend auf zwei bis drei Meter. Herr A fühlte sich bedroht und schrie den Hund laut mit Worten an, die den Hauptinspektor in seinen Empfindungen innerlich verletzten, aber den vorprellenden Hund in seinem Vormarsch stoppten. Der Hauptinspektor seinerseits war der Auffassung, er habe den Hund mit seinen Kommandi sofort wieder im Griff gehabt. In dieser Phase hatte Herr A noch nicht erkannt, dass er es mit zwei Polizeibeamten zu tun hatte und joggte nach einem kurzen Wortwechsel weiter. c) Nachdem also Herr A weitergerannt war, rief der Hauptinspektor ihm laut nach, er könne ja auch das Trottoir benützen, wie alle anderen auch. Herr A kehrte um und deponierte vor den Polizeibeamten, die er nun in der Dunkelheit als solche zu erkennen begann, unbestrittenermassen einen sehr starken Kraftausdruck, den ich hier nicht zitiere und der geeignet war, den Hauptinspektor in seiner persönlichen Ehre zu verletzen. d) Der Hauptinspektor wollte nun von Herrn A Namen und Adresse wissen. Dieser joggte aber ohne Angabe seiner Personalien davon. e) Zuerst verfolgte der Hauptinspektor mit seinem Hund an der Leine den Jogger und forderte ihn mehrmals auf, anzuhalten und sich auszuweisen, was dieser, weiterjoggend, ignorierte. Da der nun angeleinte Hund zusehends aggressiver wurde, kehrte der Hauptinspektor mit ihm zum Patrouillenwagen zurück. f) Daraufhin nahm der Inspektor die Verfolgung auf. Er konnte den Jogger, nachdem er ihm mehrmals entwischt war, kräftig am Arm packen und zu Boden drücken und ihn mit sicherem Griff auf das Trottoir führen. Bei diesem Handgemenge, ging die Armlampe des Joggers in Brüche, und er erlitt eine blutende Verletzung am Finger. g) Nach Darstellung des Hauptinspektors habe daraufhin Herr A mit der Hand gefuchtelt und sein Hemd mit Blut bespritzt. Er habe ihm gegenüber erklärt, dass der von ihm geäusserte verletzende Ausdruck nicht richtig war, entschuldigt habe er sich aber nicht. h) Herr A wurde anschliessend darauf aufmerksam gemacht, dass er sich wegen Amtsbeleidigung und Hinderung einer Amtshandlung auszuweisen habe, ansonsten er zwecks Personenüberprüfung auf den Polizeistützpunkt mitgenommen werde. Daraufhin gab sich Herr A zu erkennen. Er ging mit den beiden Polizeibeamten zu seiner Wohnung und zeigte ihnen seine Identitätskarte. Die Polizeibeamten zeigten ihre Ausweise. i) Anschliessend begab sich Herr A zur Verarztung auf die Notfallstation des Kantonsspitals Basel. j) Im Polizeijournal wurde folgender Eintrag gemacht: "Anlässlich einer Personenkontrolle wollte sich Herr A nicht ausweisen und rannte mit äusserst negativen Äusserungen davon. In der Folge konnte er gestoppt, und die Personalien an seinem Wohnort festgestellt werden. Ripol negativ." k) Tags darauf, am Donnerstag, ging Herr A auf den Polizeiposten. Er bat um Akteneinsicht und beantragte eine Unterredung. Der Postenchef war nicht anwesend. Sein Stellvertreter forderte Herrn A auf, am Freitag nochmals vorzusprechen, da der Postenchef und der Hauptinspektor dann anwesend seien. Am vereinbarten Datum wurden indessen der Postenchef und der Hauptkommissar zu einer grossangelegten Aktion abberufen, sodass das Gespräch nicht stattfinden konnte. Herr A wurde gebeten, am Samstag nochmals vorzusprechen bzw. telefonisch einen neuen Termin zu vereinbaren, was dann aber nicht geschah. 3. Bedauerlicherweise aber ging vom Polizeiposten keine neue Initiative mehr aus, um die von Herrn A beantragte Besprechung durchzuführen, sodass dieser sich an den Ombudsman wandte. 4. An der gemeinsamen Besprechung vom 21. August 1996 unter meiner Leitung mit dem Postenchef, dem Hauptinspektor und dem Inspektor im Beisein von Herrn A, erklärte dieser, er habe sich damals für seinen Kraftausdruck entschuldigen wollen und, sofern dies nicht so verstanden worden sei, entschuldige er sich jetzt in aller Form. Der Hauptinspektor seinerseits betonte, dass er seinen Hund im Griff gehabt habe und sah keinen Anlass, sich für sein Verhalten zu entschuldigen. Beide Polizeibeamten blieben bei ihrer Auffassung, dass sie verhältnismässig und korrekt gehandelt hatten. Eine gütliche Einigung war unter diesen Voraussetzungen nicht möglich, obwohl der Postenchef den zwei Polizeibeamten eine goldene Brücke bauen wollte. Beurteilung 1. Gemäss § 4 Abs. 4 des Reglementes über das Halten von Hunden müssen Hunde nur in Waldgebieten an der Leine geführt werden. Laut § 4 Abs. 1 sind Tiere aber so zu halten, dass die Anwohnerschaft sowie Passanten auf Strassen und Plätzen nicht gestört werden. Es ist zu prüfen, ob durch den dargestellten Sachverhalt § 4 Abs. 1 verletzt wurde. Gemäss Angaben des Hauptinspektors handelt es sich bei seinem Hund um einen Wachhund. Die von seinem Hund gezeigte Reaktion sei normal, wenn sich eine Person schnellen Schrittes aus dem Dunkeln nähere. Er habe stets die Kontrolle über seinen Hund gehabt. Auch wenn dies so sein sollte, konnte Herr A nicht von dieser Kontrolle über den Hund wissen und fühlte sich durch das aggressive Verhalten des Hundes stark bedroht. Meines Erachtens liegt es in der Pflicht des Hundehalters, den Hund so zu führen, dass sich Passanten nicht durch den Hund gestört oder sogar bedroht fühlen. Da der Hundehalter wusste, dass sein Hund vor allem in der Dunkelheit diese Reaktion zeigt, wäre es angebracht gewesen, den Hund an der Leine zu führen. Auch aufgrund von § 11 Abs. 2 des kantonalen Hundegesetzes komme ich zu keiner anderen Einschätzung. Herr A hat von einem Hundefachmann gelernt, dass man einen aggressiv vorgehenden Hund mit lauten Worten in Schach halten kann. Dies hat er erfolgreich zu seinem Selbstschutz getan. Dass er dabei Ausdrücke wählte, die den Hund einschüchterten, aber auch das Empfinden seines Meisters verletzten, hat dieser, da er die ursprüngliche Provokation zu verantworten hat, hinzunehmen. Statt Herrn A zu belehren, wie er sich als Jogger zu verhalten gehabt hätte, hätte er schlicht und einfach zugeben können, dass der Hund ihm gegenüber bedrohlich auftrat und dass er sich dafür entschuldige; so wäre das Problem auf der Stelle gelöst gewesen, umso mehr als eine nichtdienstliche Tätigkeit Anlass zur Auseinandersetzung war. 2. Dass der Hauptinspektor danach, als Herr A weiterjoggte, ihn laut belehrte, dass er auch das Trottoir benützen könne, wie andere Personen auch, hat dann eine weitere Eskalation des Streites provoziert. Zum einen hat Herr A, nun zu den Polizeibeamten zurückkehrend, nachdem er sie als solche erkannte, diese negativ apostrophiert und andererseits fiel der sehr verletzende Kraftausdruck gegenüber dem Hauptinspektor. Dass Herr A dabei den Respekt vor der Polizeiuniform verloren hat, ist bedauerlich, aber verständlich. Respekt basiert auf natürlicher Autorität, die sich in jedem Zeitpunkt bewähren muss. Wer sie aus eigenem Fehlverhalten - und sei es auch nur für einen Moment - aufs Spiel setzt, muss die Folge, dass ein Bürger den Respekt vor der sich in einer Uniform präsentierenden Amtsgewalt verliert, primär selber verantworten. Keinesfalls hätte aber Herr A - auch nicht gegenüber einer Privatperson - den verletzenden Kraftausdruck gebrauchen dürfen (Persönlichkeitsverletzung gemäss Art. 28 ZGB), was ich Herrn A anlässlich der gemeinsamen Besprechung auch deutlich gesagt habe, und wofür er den Hauptinspektor um Entschuldigung gebeten hat. 3. Der Inspektor erwähnt in seinem an mich gerichteten schriftlichen Bericht: "Zu erwähnen ist noch, dass wir und die umliegenden Gemeinden regelmässig Einbrüche zu verzeichnen hatten, und sich A durch sein Verhalten, seine Personalien nicht bekannt geben zu wollen, äusserst verdächtig gemacht hatte." Nach meiner Auffassung handelt es sich dabei um eine nachträgliche Rechtfertigung. Die beiden Polizeibeamten hatten in meinen Augen zum vornherein nicht den geringsten selbständigen Grund, die Personalien des Joggers zu überprüfen. Im Polizeijournal wird dann auch nur der zweite Teil des Vorganges rapportiert, namentlich das Verhalten des Hauptinspektors als Ursache der späteren Folgen nicht erwähnt. Es scheint mir nicht akzeptabel, dass ein Beamter, der in Ausübung einer nicht dienstlichen Tätigkeit eine Person durch nicht reglementkonformes Verhalten ihrerseits zu einem Fehlverhalten provoziert, dieser gegenüber dann hoheitlich auftritt (Aufforderung, sich auszuweisen). Es bestand keine selbständige und zureichende Rechtsgrundlage, um die Personalien von Herrn A zu überprüfen. Der Hauptinspektor hätte die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte auf dem ordentlichen Rechtsweg, wie jeder Bürger, da er ja einer nichtdienstlichen Tätigkeit nachging, rügen können. 4. Der Betroffene hat nach kantonalem Recht (§ 18 des Datenschutzgesetz des Kanton Basel-Landschaft vom 7. März 1991, SGS 162) und Art. 4 der Bundesverfassung (BV), als Teil des rechtlichen Gehörs, Anspruch auf Akteneinsicht. Auskunft und Einsicht dürfen nur eingeschränkt oder verweigert werden, wenn dies wegen überwiegender öffentlicher oder überwiegender Interessen einer Drittperson erforderlich ist. Gemäss Bundesgerichtsentscheid 113 Ia 1ff. garantiert Art. 4 BV einen Anspruch auf Akteneinsicht auch ausserhalb eines hängigen Verfahrens, sofern der Rechtssuchende ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann. Der Betroffene hat so die Möglichkeit zu prüfen, ob die über ihn festgehaltenen Daten korrekt registriert worden sind. Dieses allgemeine Interesse an Akteneinsicht kann heute angesichts der technischen Möglichkeiten der Datenverarbeitung nicht mehr als unerheblich bezeichnet werden. Der einzelne Bürger kann es durchaus als Unbehagen und als Beeinträchtigung seiner Privatsphäre empfinden, wenn die Verwaltungsstellen zu diesen Daten auf unbestimmte Zeit hinaus Zugang haben. Gemäss § 20 Abs. 1 des DSG, kann jede Person bezüglich ihrer eigenen Daten verlangen, dass unrichtige Personendaten berichtigt oder ergänzt werden. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die betroffene Person eine Aufnahme einer Gegendarstellung in die Akten verlangen kann (§ 20 Abs. 3 des DSG). a) Anlässlich der gemeinsamen Besprechung konnte Herr A Einblick in das Polizeijournal nehmen (siehe oben Ziff. 2 j der Abklärungen). b) Herr A hat sinngemäss eine ergänzende Berichtigung verlangt. Da das Polizeijournal möglichst kurze Einträge enthalten soll, schlug ich vor, den Text wie folgt zu formulieren: "Anlässlich einer nichtdienstlichen Tätigkeit (Versäubernlassen des Hundes von Hauptinspektor B) während der Arbeitszeit, fühlte sich Herr A (Jogger), von diesem Hund bedroht. Herr A machte äusserst negative Bemerkungen gegenüber HInsp II. Er entzog sich daraufhin einer Personenkontrolle und joggte weiter. In der Folge konnte er zu Boden gezwungen werden. Er erlitt eine kleine Fingerverletzung. Die Personalien konnten anschliessend an seinem Wohnort festgestellt werden. Ripol negativ." 5. Ich habe die vorliegende scheinbar kleine Angelegenheit so eingehend analysiert und beurteilt, um klar zu machen, wie - aus einer nichtdienstlichen Tätigkeit und ihrer Vermengung mit einer dienstlichen - selbstverursachte Probleme entstehen können. In der konkreten Situation ist man dann kaum oder gar nicht mehr imstande, die Eskalation zu kontrollieren. Ergebnis Der Postenchef hat meine Empfehlung, eine Ergänzung des Polizeijournaleintrages im Sinne meines Vorschlages, Ziff 4 b) meiner Beurteilung, zu veranlassen, in die Tat umgesetzt. |
|